Artisten, Jongleure,
Clowns, Comedians ...
Diskussion um Qualitäts-, Ausbildungs- und Honorarrichtlinien
----- Original Message -----
From: Herr Krawalli
To: info@freie-kulturberufe.de
Sent: Friday, February 14, 2006 10:01 AM
Subject: AW: Sondermeldung ifk-Info
Guten Morgen,
selbstverständlich bin ich dafür, diesen Schriftwechsel öffentlich
zu machen. Ich wollte schon in meiner letzten Mail vorschlagen,
zu diesem Thema ein Forum zu eröffnen.
Meine Absicht war übrigens auch nie, einfach nur zu kritisieren.
Ich bin ohne Zögern Mitglied in der ifk geworden, als ich
von der Existenz des Vereins erfuhr, weil ich diese Arbeit für
enorm wichtig halte und ich sehe die Problematik der "Freien" ganz
klar vor Augen.
Auch in den Sozialberufen greifen Träger auf "Freie" zurück,
die letzten Endes die tariflichen Löhne oder gar die Arbeitsplätze
der Festangestellten bedrohen. Die freien Honorarkräfte sind
auch dort für ihre Sozialabgaben und Steuern selbst verantwortlich
und arbeiten ohne Kündigungsschutz, Urlaubsgeld, usw. Durch
diesen Trend könnte die Problematik der freien Kulturberufe
eben auch bei MitarbeiterInnen in der sozialen Arbeit auf offene
Ohren stoßen. Wir stehen damit nicht alleine da!
Viele Grüße,
Andreas
----- Original Message -----
From: Herr Krawalli
To: info@freie-kulturberufe.de
Sent: Monday, February 13, 2006 03:35 PM
Subject: Re: Re: Sondermeldung ifk-Info
Hm, gute Fragen ... Nur ganz kurz zwei Punkte dazu:
1. Die grundsätzliche Klärung der Begrifflichkeit "Freiberufler" ganz
allgemein (- vor allem aus der Sicht der EU. Und hier ganz besonders
wegen der EU-Dienstleistungsrichtlinien, denen wir uns früher
oder später auch hier stellen müssen): Wissen Sie, dass
das Freiberuflertum ausschließlich eine steuerrechtliche
Sache/Definition ist? Und dass es sie auch nur in Deutschland gibt?
In allen anderen Ländern sind Freie - gleich welcher Couleur
(Freelancer, oder wie immer man sie/uns noch bezeichnen mag) -
ganz einfach Selbstständige, also Unternehmer. "Frei" bedeutet
also nicht bar jeglicher Regelungen oder ähnliches. Es ist
auch nicht gleichzusetzen mit einer "Ideologie". Insofern
halte ich es für elementar, dass wir uns darüber bewußt
sind: Niemand wird uns aus unserem Schlamassel helfen. Das können
nur wir selbst. Und damit komme ich auch schon zu Punkt 2:
Gibt es in Ihrer Branche bzw. den Peripherieberufen überhaupt
schon irgendwelche Überlegungen seitens der Freien, wie das
bei Ihnen geregelt werden könnte? Wenn die Fragen klar sind
- wie lauten dann die Antworten? Oder anders gesagt: Welche Wege
wären vorstellbar, um zu den Antworten und damit zu Lösungen
zu kommen?
Sehen Sie, ich bin immer dafür, zu handeln. Ein Problem nur
zu diskutieren, bringt niemanden weiter. Ich habe lange genug Verbandsarbeit
gemacht - darunter allein in zwei journalistischen Berufsverbänden.
Und da habe ich eines gelernt: Wenn sie überhaupt jemandem
etwas gebracht hat, dann den Festangestellten. Für uns Freie
kam so gut wie nichts heraus. Jahr um Jahr verging, ohne dass sich
irgendetwas für uns gebessert hätte - im Gegenteil. Bis
ich schließlich genug hatte - und den ifk gründete.
Denn ich denke, wir haben nur dann eine Chance, wenn wir Kultur-Freiberufler
uns vernetzen und für unsere Interessen selbst einstehen.
Und wir müssen natürlich auch die Öffentlichkeit
auf unsere Situation aufmerksam machen. Denn die Leute "draußen" wissen
es tatsächlich nicht. Schon allein die (Kultur-)Freien untereinander
kennen sich ja kaum, wissen so gut wie nichts über die Probleme
der anderen. Deshalb war es mir auch so wichtig, dass wir die Mitgliedschaft
im Bundesverband Freie Berufe bekommen. Wir brauchen eine Lobby,
anders geht es nicht. Natürlich ist es noch ein langer Weg,
bis wir soweit sind. Aber zumindest für mich und die Leute,
die mich aktiv unterstützen, kann ich sagen: Wir versuchen
es einfach, und wir bleiben dran. Obwohl ich auch sagen muss: Das
Arbeitspensum, das wir hier schaffen - neben unseren eigenen Jobs,
wohlgemerkt - ist fast unmenschlich. Und es sind noch immer zu
wenige, die fragen: Kann ich Euch helfen? Was kann ich übernehmen?
- Bis heute ist mir nicht klar, woran das liegt. Sind sich unsere
KollegInnen über die gesamte Situation (noch) nicht im Klaren?
Oder haben sie ein Problem mit dem Outing ihrer Lage? Oder sind
sie schon völlig paralysiert ...?
Eine Frage hätte ich aber doch noch: Wären Sie damit
einverstanden, dass wir diesen Schriftwechsel auf die ifk-Website
stellen? Vielleicht ermutigt das ja doch den einen oder anderen,
sich ebenfalls mal Gedanken zu machen, wie zumindest in Ihrer Branche
eine Lösung erreicht werden könnte. Wie gesagt, ich denke,
das nur "intern" zu diskutieren, führt zu nichts.
Lassen wir doch die "Outsider" auch hinter unsere Kulissen
schauen.
Ihnen noch eine schöne Woche mit vielen angenehmen Aufträgen!
----- Original Message -----
From: Herr Krawalli
To: info@freie-kulturberufe.de
Sent: Monday, February 13, 2006 10:52 AM
Subject: AW: Re: Sondermeldung ifk-Info
Hallo Frau Rossi,
vielen Dank für die ausführliche Antwort! Die grundsätzliche
Problematik habe ich sehr wohl verstanden. Ich verstehe nur nicht,
wie einheitliche Regelungen zu treffen wären!?
Beispiele:
Wie bringt man einen Lehrer, der allein aus Spaß an der
Freud an Wochenenden professionelle Kleinkunst darbietet dazu,
sich als Amateur zu verstehen und gleichzeitig Profigagen zu nehmen,
um den Profis nicht mit Dumpingpreisen das Geschäft kaputt
zu machen?
Wie bringt man einen ausgebildeten Clown, der von seiner Kunst
leben muss, jedoch grottenschlechte, langweilige Shows darbietet
dazu, sich "leistungsgerecht" bezahlen zu lassen, damit
Veranstalter sich nicht über überhöhte Gagenforderungen
aufregen müssen und Profikünstler zukünftig schlechter
bezahlen?
Was um Himmels willen berechtigt z.B. Comedians, die durch eine
TV-Präsenz plötzlich ein bekanntes Gesicht haben, die
10-fache Gage zu nehmen als ein Jahr zuvor, als dasselbe Programm
noch von einem unbekannten Gesicht präsentiert wurde? Leistungsgerechte
Bezahlung?
Einheitliche Honorare für Texte, Regiearbeit, usw. mögen
sinnvoll sein, aber Gagen für Kabarettisten, Comedians, Clowns,
Schauspieler, Musiker...? Ist das wirklich vorstellbar? Kann man
Kulturberufe so über einen Kamm scheren?
Marianne Rosenberg bekommt mit Ihrer Band für 45 Minuten
z.B. 25000,- ?.
Wissen Sie, was ein Marianne Rosenberg-Double bekommt?
Ich hoffe, diese Denkanstöße regen dazu an, bei weiteren
Vorstößen noch konkreter zu differenzieren. Die Problematik
gibt es in allen Bereichen. Aber die Lösungen können
nicht allein in einheitlichen Tarifen, in Zertifikaten oder sonstigen
Regelungen gesucht werden. Es heißt ja "freie" Kulturberufe.
Und es wäre sicher ebenso schädlich wie die vielen "schwarzen
Schafe" der Branche, die Freiheit zu beschränken!
Beispiel: Agenturen! Künstlervermittler, die mehr als die
allgemein üblichen 20 % Provision verlangen oder generell
Künstler schlecht bezahlen und gleichzeitig keine Vorteile
für Künstler wie z.B. ein intensives Management bieten,
werden mittelfristig keine Profikünstler mehr vermitteln,
sondern auf sog. Amateure zurückgreifen müssen, die bedeutend
billiger sind. Diese Agenturen werden oft durch den freien Markt
von allein verdrängt. Bei einheitlichen Regelungen würden
vielleicht gute Künstler für einige Zeit länger
von schlechten Agenturen vermittelt werden.
Ich sehe da insgesamt keinen Vorteil für freiberufliche Künstler
der Bereiche Schauspiel, Kabarett, Kleinkunst, Musik,... lasse
mich aber gern eines Besseren belehren und bin gespannt auf weitere
Entwicklungen!
Mit freundlichen Grüßen,
Andreas Wetzig
----- Original Message -----
From: Herr Krawalli
To: info@freie-kulturberufe.de
Sent: Monday, February 11, 2006 1:45 PM
Subject: Re: Sondermeldung ifk-Info
Hallo Herr Wetzig,
ich danke Ihnen für den Hinweis und Ihre aktive "Mitdenke".
Nun meine ich, dass wir beide Recht haben. Sie sagen, Sie begleiten
Amateure auf Ihrem Weg ins Profi-Dasein. Das begrüße
ich natürlich sehr. Aber ich glaube, dass auch Ihnen es gegen
den Strich gehen würde, wenn genau diese Amateure sich plötzlich
anmaßten, Profi-Honorare für ihre Arbeit zu verlangen.
Ich habe auch absolut nichts gegen Seiteneinsteiger, im Gegenteil.
Ich selbst habe vorher Russisch und Englisch studiert, bevor ich
als Journalistin tätig wurde. Dafür habe ich aber auch
unter anderem weitere eineinhalb Jahre in mein Volontariat investiert,
und bis heute nicht aufgehört, mich weiterzubilden.
Wenn einer Ihrer Schützlinge also später in seinem beruflichen
Werdegang reinschreibt: "Ausbildung" oder "Coaching" durch
(den renommierten) Andreas Wetzig alias "Herr Krawalli",
dann hat das doch eine gewisse Aussagekraft. Es ist auch völlig
legitim, da unsere Berufsgruppen gerade daran kranken, dass eben
keine einheitlichen Ausbildungs- und Qualitätsrichtlinien
bestehen. Ich gebe Ihnen natürlich völlig Recht, wenn
Sie sagen, dass sich beispielsweise auch unter den Clowns, die
eine Schule besucht haben, Nieten befinden. Das Problem gibt es
aber in allen anderen Berufen ebenfalls. Ob unter Handwerkern, Ärzten
oder Rechtsanwälten - überall finden sie welche, die
nicht sauber oder kompetent arbeiten. Damit müssen wir leben.
Trotzdem wollen Sie sicher einen Fachmann an Ihre sanitären
Anlagen oder Ihren Körper ranlassen, als einen, der sich nur
nebenbei mit den Themen auseinandersetzt. Deshalb meine ich auch,
dass jede unserer Berufsgruppen in diesem weiten Feld der Kultur-Freiberufler
einheitliche Regelungen treffen sollte - zum einen für sich
selbst, zum anderen für die potentiellen Auftraggeber. Das
trifft übrigens auch auf die von Ihnen erwähnten Agenturen
und dergleichen zu. Ich selbst kenne das Problem nur allzugut von
den Verlagen. Doch glaube ich, dass wir auf längere Sicht
bessere Chancen hätten, unsere Honorare durchzusetzen, wenn
wir unsere Qualifiaktionen eindeutiger nachweisen - und uns damit
von den Amateuren absetzen können.
Ihr Argument, dass etwa hauptberufliche Lehrer an den Wochenenden
unter Umständen professionelle Kleinkunst darbieten können,
kann ich nachvollziehen. Trotzdem sollte man da irgendwo einen
Strich ziehen. Für ihn ist es ein willkommener Ausgleich,
ein Vergnügen. Er muss nicht von den paar Auftritten leben,
und so ist es ihm auch mehr oder weniger egal, wenn er nicht leistungsgerecht
bezahlt wird. Genauso wenig muss er sich mit all den anderen Dingen
befassen, die sonst an einem Selbständigen hängen, und
Zeit und Geld kosten.
Oder anders und etwas überspritzt ausgedrückt: Selbst
ein Finanzbeamter, der sich in seiner Freizeit oder in seinem Verein
mit Ameisenforschung befaßt, und sich womöglich im Laufe
der Zeit Kenntnisse aus der Praxis aneignet, die in nichts dem
professionellen Wissenschaftler nachstehen, bleibt ein Finanzbeamter
mit Ameisenforschung als Hobby. Denn der Wissenschaftler verfügt
durch sein Studium, seine Praktika etc. (also Zeit, in der er zudem
nichts verdient, sondern sogar noch investiert hat) noch über
andere Qualitäten (z.B. analytisches Denken, das Handwerkszeug
für das Verfassen von wissenschaftlichen Abhandlungen, die
Möglichkeit einer Professur o.ä.). Andersherum käme
unser Wissenschaftler sicherlich nicht auf die Idee zu behaupten,
er sei ein Finanzexperte, nur weil er seine Steuererklärung
selbst erledigen kann.
Hinzu kommt, dass einen Profi noch etwas anderes auszeichnet: Die
Fähigkeit, sich auch zu verkaufen. Der Wunsch oder der Wille,
sich zudem Kenntnisse in Marketing etc. anzueigenen. Also sich
mit all den Dingen zu befassen, die außerhalb seiner eigentlichen
Tätigkeit oder Berufung liegen. Talent, oder die Ausbildung
desselben allein reicht nicht aus.
Ich weiß nicht, ob ich Ihnen verständlich machen konnte,
worum es hier grundsätzlich geht - ich kann es nur hoffen,
und Ihnen bei Mißverständlichkeit anbieten, Ihre eventuellen
Fragen weiterhin zu beantworten.
Bis dahin verbleibe ich mit den besten Grüßen,
Adriana Rossi
----- Original Message -----
From: Herr Krawalli
To: info@freie-kulturberufe.de
Sent: Friday, February 10, 2006 2:29 PM
Subject: AW: Sondermeldung ifk-Info
Guten Tag Adriana Rossi,
die Sonder-Mitteilung habe ich mit Interesse gelesen. Ich begrüße
die Mitgliedschaft im Bundesverband. Auch die Idee einer Interessensvertretung
ist richtungsweisend in Zeiten, wo in anderen Berufsgruppen die
Gewerkschaften immer mehr an Bedeutung verlieren.
Allerdings hat mich der Inhalt dieses Absatzes irritiert:
(...)"Zum anderen zerstören Amateure (die möglicherweise
sogar Profipreise verlangen und durchsetzen) in der Regel für
immer das Vertrauen potentieller Auftraggeber. Denn wer einmal
zuviel Geld für zuwenig Leistung bezahlt hat, wird schwer
davon zu überzeugen sein, dass es auch anders geht."(...)
Was soll das denn???
Die Aussage mag zutreffen für Berufe wie z.B. Webdesigner
oder Eventmanager. Wie unterscheidet man aber bei Künstlern
aus den Sparten Comedy oder Zirkuskunst zwischen Amateuren und
Profis? Oft haben Profis einen langen Weg als Autodidakt und als
semi-professioneller Künstler hinter sich, bevor sie sich
selbst als Profis sehen. Manche "Amateure", die im Haupt-
bzw. Nebenberuf Lehrerin oder Zimmermann sind, bieten Zuschauern
an zahlreichen Wochenenden im Jahr professionelle Kleinkunst dar.
Diese Diskussion über Amateure und Profis ist sehr alt und
sehr müßig. Sie zerstört m.E. die Solidarität
unter Kulturschaffenden. Im meinem Umfeld gibt es neuerdings einen "Künstlerstammtisch" mit
Amateuern und Profis aus Ostwestfalen, der geeignet ist, auf lange
Sicht Barrieren solcher Art, wie sie im aktuellen Newsletter geschaffen
werden durch pauschalisierte Vorwürfe, abzubauen und für
gegenseitige Unterstützung steht.
Übrigens wird das Preisdumping nicht nur von den Kulturschaffenden
betrieben, sondern von Auftraggebern wie z.B. Marketíngfirmen,
Eventagenturen, Künstleragenturen,... in denen häufig
studierte Köpfe sitzen. Im Osten Deutschlands ist das nach
der Jahre andauernden Euphorie der Wiedervereinigung nun besonders
schlimm! Da gehen die Künstlergagen so sehr in den Keller,
dass persönlich froh bin, in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen
genügend Auftraggeber zu finden.
Übrigens lebe ich seit 2004 ausschließlich von meiner
Kunst, sehe mich selbst als Profi und fördere Amateure, denen
ich gern kostenlos Auftritte vermittle, die meinen Gagenforderungen
nicht genügen. Autodidakten können nur Profis werden,
wenn sie jede Gelegenheit nutzen können, ihre kulturellen
Beiträge öffentlich zu machen! Und ich habe schon Absolventen
von Clownsschulen gesehen, die trotz eines Zertifikats eine absolut
unzureichende Leistung präsentiert haben. Ich möchte
darum bitten, solche Aussagen also besser zu überdenken!
Viele Grüße aus der Bielewelt,
Andreas Wetzig
--
Comedy-Jongleur Herr Krawalli
fon 0521-5212513
fix 0160-91929919
mail komiker@krawalli.de
web www.krawalli.de
Achtung! 25.03.2006
Die Krawallfeier - 5 Jahre Krawalli
www.trotz-alledem-theater.de
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